Analoge Fotografie

Da bin ich doch neulich beim Fotohändler meines Vertrauens, um für einen Freund nach Planfilmkassetten im US-Postkartenformat zu schauen. Manchmal findet man ja die unglaublichsten Sachen. Und was lächelt mich da im Gebraucht-Schaufenster an: eine Minolta X-300 nebst MD50mm- Objektiv, Winder und Minolta Auto 132X Blitz.

In diesem Moment war die Vernunft (brauche ich eigentlich nicht) ausgeschaltet und ich bin rein in den Laden, um mir das Set anzusehen. Wie sich herausstellte, war die Kamera und das Zubehör so gut wie neu, trotzdem alles aus den 80ern stammte. Der Vorbesitzer hat die Kamera wohl höchst selten Benutzt.

Wie neu!

Die Bodenplatte der Kamera war sogar noch mit dem Schutzaufkleber versehen und auch innen (Spiegelkasten, Dichtungen, Filmaufwicklung, Verschluss) war alles wie neu. Das Minolta MD Rokkor 50mm/1,7 sah auch recht jungfräulich aus. Kein Staub, keine Kratzer … nichts. Auch der Winder (leider nicht Minolta) und Blitz (Minolta Auto 132x), taten wie am ersten Tag.

Romantische Gefühle und Erinnerungen an meine erste SLR (Minolta XG-1) überkamen mich und ZACK!, konnte ich eine analoge Kamera mein Eigen nennen. Damit aber noch nicht genug. Für meine Olympus EM10Mk2 habe ich im Internet noch einen Adapter von MD auf Olympus besorgt, um das 50er an der Oly benutzen zu können. Die bekommt man in schon recht guter Qualität für knapp €20,-. Und wie der G.A.S.*-Teufel es wollte, habe ich in einem Internet-Auktionshaus noch ein Minolta MC Macro Rokkor 50mm/3.5 +  Zwischenring für Faktor 1:1 für wenig Geld und in perfektem Zustand ersteigern können.

Wenn man die Objektive anfasst, merkt man schon einen Unterschied zu heutigen Bauformen. Der Fokus läuft weich und über eine längere Strecke, noch viel aus Metall und sehr hochwertig verarbeitet. Die optischen Ergebnisse sind auch nicht zu verachten. Im Allgemeinen haben die Minolta-Objektive einen sehr guten Ruf. Ich verstehe eigentlich gar nicht, warum sie trotz ihrer Qualität teilweise so billig über die Theke gehen. Aber gut, ich habe nichts dagegen. 😉

Eine tolle Anfänger-Kamera!

Wer mit der analogen Fotografie anfangen möchte, ist bei der X300 sehr gut aufgehoben. Sie verfügt über eine Zeitautomatik bei Blendenvorwahl („A“ im Sucher) und volle manuelle Steuerung („M“ im Sucher). Im hellen Sucher kann man die Zeit entsprechend der eingestellten Blende sehen und wird bei Über- oder Unterbelichtung gewarnt. Ist ein Blitz im Zubehörschuh, blinkt die 60stel Sekunde auf, sobald der Blitz bereit ist. Man muss also die Blitzsynchronisation nicht extra einstellen. Das funktioniert sehr gut mit den Minolta X-Blitzen (z.B. Auto 200x). Vermutlich auch mit anderen Systemblitzen (z. B. Metz) aus der damaligen Zeit, aber da kenne ich mich nicht so aus.

Bei der vollen manuellen Steuerung unterstützt dich die X300 mit einem Zeitvorschlag. Den kann man entweder durch drehen der Zeitvorwahl auf den Wert annehmen, oder die Blende so lange anpassen, bis die Zeit an der richtigen Stelle blinkt. Quasi eine Nachführmessung wie in alten Kameras aus den 70ern, die noch keine Automatiken hatten. Ich finde das sehr nützlich. In der Einstellung „B“ (Bulb für Dauerbelichtung) taucht ein kleiner Stern neben dem B unten rechts im Sucher auf und das „M“ weist auf den manuellen Modus hin.

Wer möchte, kann einen Motor an die X300 anschließen und so mit maximal 2 Bildern in der Sekunde fotografieren. Das ist nicht besonders schnell, aber in manchen Situationen (z. B. Makrofotografie) sehr hilfreich, weil man die Kamera für den Filmtransport nicht mehr anfassen muss und so den Bildausschnitt versehentlich verändern könnte.

Tips und Tricks – Messwertspeicher, Doppelbelichtung und Belichtungskompensation

Interessanterweise besitzt die X300 einen Messwertspeicher für die gemessene Belichtung. Die Taste dafür befindet sich an der Vorderseite und teilt sich die Funktion mit dem Selbstauslöser. Drückt man diesen kleinen Schieber nach unten und hält ihn, merkt sich die Kamera die Belichtung. So kann man z. B. die Schatten in einem Bild richtig belichten, indem man diesen an misst, den Knopf gedrückt hält und dann erst den endgültigen Bildausschnitt wählt.

Für Doppelbelichtungen gibt es zwar keine eigene Funktion an der X300, aber wenn man den Rückspulknopf an der Unterseite gedrückt hält und dann spannt, wird der Film nicht transportiert und das gleiche Stück Film wird noch mal belichtet. Das konnte die ältere Schwester XG-1 (Vorläufer der X300) schon.

Leider besitzt die X300 auch keine Möglichkeit für die Belichtungskompensation. Eigentlich kann man das aber auch über das ASA-Rad (heißt heute ISO) bewirken. Möchte ich um eine Blende unterbelichten, stelle ich auf die nächst höhere ISO-Zahl: der Film hat ISO 100 und ich stelle auf ISO 200 um eine Blende weniger zu belichten. Für eine Überbelichtung stelle ich eine geringere ISO, z. B. ISO50 ein. Damit hätte ich eine Blende überbelichtet. Würde man das mit der Blende bewerkstelligen, also ein Blendenwert größer oder kleiner, wäre die Schärfentiefe eine andere. Mit dem ISO-Trick kann man das verhindern.

Kleiner Nachtrag: Natürlich kann man diesen ISO-Trick nicht ständig in die eine oder andere Richtung für einen eingelegten Film maximal (z. B. ISO 800 anstatt ISO 100) ändern. Da sollte man sich vorher entscheiden, mit welcher ISO man den Film belichten will. Bei der Entwicklung gibt es da nämlich einen anderen Zeitfaktor zu beachten. Bei kleinen ISO-Verschiebungen ist das nicht so kritisch, weil S/W- und auch Farbfilme einen gewissen Belichtungsspielraum haben und im Labor sowieso eine ausgleichende Entwicklung stattfindet.

Weitere Informationen und Links

Über das Minolta-System gibt es im Internet viele Informationen und ganze Internetseiten, die sich nur mit Minolta beschäftigen und auch auf einzelne Kameras wie die X300 eingehen. Sogar Reparaturanleitungen, Prospekte und Literatur gibt es zu finden.

Last but not least, gab es von anderen Herstellern Lizenz-Nachbauten der X300. Beispielsweise die SX-300 von Carena. Über deren Funktionen und Qualität kann ich allerdings nichts sagen.

Artaphot Artikel zum MD 50mm Macro
Reparaturanleitung der X-300

∗Gear Acquisition Syndrome, Engl.: in etwa mit „Ausrüstungs Kaufrausch“ zu übersetzen